Die Herausforderung
Eine mittelgroße Genfer Kanzlei erhielt täglich rund hundert Postdokumente und über 200 E-Mails. Das Sortieren, Klassifizieren und Zuordnen zu den richtigen Akten band zwei Assistentinnen mehrere Stunden am Tag. Fehlklassifizierungen kosteten Zeit bei der Suche nach wichtigen Unterlagen, und kritische Fristen drohten übersehen zu werden. Dringende Mails konnten in Stoßzeiten Stunden unbeachtet bleiben.
Die Kanzlei wollte den Prozess modernisieren, ohne die Vertraulichkeit der Mandantenakten zu gefährden oder auf Public-Cloud-Dienste auszuweichen, in denen Daten die Schweiz verlassen. Da sie sensible Mandate für Family Offices und internationale Unternehmen betreut, war Datensouveränität zentral.
Die umgesetzte Lösung
Wir bauten eine intelligente Automatisierung mit Microsoft-Technologien im eigenen Azure in der Schweiz. Azure Document Intelligence extrahiert Text und Struktur aus Scans und PDFs, Azure OpenAI Service mit einem privat bereitgestellten GPT-4-Modell analysiert und klassifiziert Inhalte, Azure AI Search indexiert alles für semantische Suche.
Der Ablauf startet mit dem Scannen physischer Post auf einen sicheren SharePoint-Ordner. Parallel überwacht ein Power-Automate-Flow das gemeinsame E-Mail-Postfach. Jedes neue Dokument oder jede Mail löst den Flow aus und extrahiert Inhalte. Document Intelligence liest Volltext und erkennt Kopfzeilen, Tabellen, Unterschriften; bei E-Mails werden Body und Anhänge analysiert.
Der extrahierte Text geht an GPT-4 mit Anweisungen für eine gemeinsam definierte Taxonomie: Mandantenpost, Gerichtsvorladung, Lieferantenrechnung, Vertrag, gegnerische Korrespondenz, gerichtliches Dokument, Offertenanfrage, dringende Angelegenheit oder Sonstiges. Das Modell erkennt Schlüsselentitäten wie Mandantenname, Aktennummer, wichtige Daten, Beträge und Dringlichkeitsstufe.
Für E-Mails ermittelt das System zusätzlich die Stimmung und erstellt eine Ein-Satz-Zusammenfassung. Alle Metadaten werden zusammen mit dem Volltext in Azure AI Search indexiert. Je nach Klassifizierung wird die Datei automatisch in den richtigen SharePoint-Ordner verschoben; betroffene Anwälte erhalten eine Teams-Benachrichtigung mit Zusammenfassung und Dringlichkeit. Sehr dringende Mails erzeugen Sofortalarm.
Messbare Vorteile
Nach drei Monaten übertrafen die Resultate die Erwartungen. Die tägliche Bearbeitungszeit für Post und E-Mails sank von sechs auf unter eine Stunde – minus 83 %. Assistentinnen kümmern sich nur noch um vom System markierte Zweifelsfälle. Die Klassifizierungsgenauigkeit liegt bei 92 % für physische Dokumente und 89 % für E-Mails, gegenüber geschätzten 10 % menschlicher Fehlerrate zuvor.
Anwälte können sofort semantisch suchen, z. B. alle Schreiben zu einer Konkurrenzklausel finden, auch wenn die Formulierungen variieren. Die First-Response-Time auf Mandantenmails sank um 65 %, von durchschnittlich vier Stunden auf 1,4 Stunden.
Die Kanzlei verbesserte zudem Nachvollziehbarkeit: Alle Dokumente und Mails sind mit Zeitstempel und Audit-Log erfasst. Die Zufriedenheit stieg, weil Anwälte kontextreiche Benachrichtigungen mit Dringlichkeitsgrad erhalten statt Ordner manuell zu durchsuchen.
Technik und Sicherheit
Die Architektur wahrt vollständige Vertraulichkeit. Alle Azure-Dienste laufen in Switzerland North; Daten verlassen das Land nicht. Das GPT-4-Modell ist privat bereitgestellt, vertraglich ohne Trainingsnutzung. Zugriff wird über Azure AD und MFA gesteuert, jede Aktion protokolliert.
Die monatlichen Kosten inklusive Azure-Lizenzen und houle-Support entsprechen etwa 25 % der eingesparten Personalkosten und führen zu schnellem ROI.
Fazit
Diese Automatisierung zeigt, dass sich KI auch bei sensiblen Prozessen mit physischen Dokumenten und elektronischer Kommunikation einsetzen lässt, ohne Datenhoheit zu verlieren. Die Kanzlei gewinnt Effizienz und besseren Service durch kürzere Reaktionszeiten – im Trend von AI search, aber mit voller Kontrolle.